Februar 2017. 2 Jahre Berlin. Selbstständig. Familienfotografie als Vollzeitjob.
Es ist Zeit, die letzten Jahre Revue passieren zu lassen.
Bist Du glücklich? Lebst Du das Leben, das Du leben willst?
Diese Fragen habe ich mir in den letzten Wochen und Monaten oft gestellt. Ich bin genau da, wo ich sein wollte, als ich mich vor 3 Jahren selbstständig gemacht habe. Es läuft. Richtig gut sogar. Aber ich bin an dem gleichen Punkt, an dem ich schonmal war, als ich damals in Kolumbien endlich für die UN arbeitete.
Du hast ein Ziel, Du arbeitest jahrelang darauf hin, dann 'hast-Du's-geschafft' und dann ...
Ja, was dann?
Eins ist klar: die Kombination aus Perfektionist + Workaholic + Hobby als Beruf ist nicht die beste Kombination für ein ruhiges, ausgeglichenes Leben. Das habe ich schon früh gemerkt, als es damals in Bonn losging. Mit der nebenberuflichen Selbstständigkeit zusätzlich zum Teilzeitjob. Eine 100-Stunden-Woche, ohne Pausen. War ja alles so neu und aufregend.
Ein Leben ohne Grenzen
Keiner setzt einem Grenzen oder Strukturen. Es gibt keinen Feierabend. Ich alleine setze mir meine eigenen Grenzen. Und das ist schwierig, wenn man seine Arbeit liebt. Wenn man auch mal "Nein!" sagen muss. Es fällt mir zwar leicht, alles abzulehnen, was nichts mit Familienfotografie zu tun hat.
Aber "Nein" zu sagen zu Familienshootings? Fast unmöglich. Auch weil ich weiß, dass es einen Unterschied macht, ob Dein Baby 3 Wochen oder ein halbes Jahr alt ist, wenn ich zu Euch komme.
Dann meldet sich diese Stimme in meinem Kopf, die sagt, "Ach komm, das macht doch so viel Spaß, das kriegst Du auch noch unter, sind doch nur 2 Stunden." Stimmt. Aber in dem Moment vergesse ich oft, dass aus den 2 Stunden schnell mal 8 Stunden werden: Email-Absprachen, Telefonate, Reiseroute raussuchen, Tickets buchen, 2 - 3 Stunden Hin- und Rückfahrt, 3 Stunden Bildauswahl und Fotobearbeitung, Fotos in die Galerie laden, Auswahl absprechen, neue Online-Galerie hochladen, Rechnungen erstellen, noch mehr Emails, evtl. Abzüge bestellen, verpacken, verschicken. Ein ganzer Arbeitstag!
Ja, es läuft. Ich bekomme viele Anfragen, mittlerweile sogar europaweit, und darüber bin ich sehr glücklich. Dass ich eine Arbeit machen kann, die mich so komplett erfüllt. Dass ich mit meiner Fotografie ein kreatives Medium gefunden habe, mit dem ich zeigen kann, was mir sehr wichtig ist, was am Ende bleibt. Die Verbindung zu den Menschen, die wir lieben. Das ist ein Geschenk. Aber genau das hatte ich für mich aus den Augen verloren.
Zeit ist das wertvollste Geschenk
Nämlich in meinem Leben mehr Zeit zu haben. Für mich. Und für meine Liebsten, für schöne Stunden mit der Familie, entspannte Gespräche mit Freunden, freie Tage am Meer mit dem Freund. Ohne den Kopf ständig voller To-Do's zu haben.
Und meinen Alltag mit vielen kleinen Momenten zu füllen, die mich glücklich machen. Das ist meine Definition von Erfolg.
Nur wie kommt man dahin?
3 Strategien für mehr Zeit und ein glücklicheres Leben
1. Weniger ist mehr.
Ich bin jemand, der konstant tausende kreative Ideen im Kopf hat und zwar zu allem: Blogartikel, Bildsprache, Workflow, SEO, Marketing, Branding. Wo ich hin will, was ich sein will. Das ist schön, aber auch anstrengend. Wenn es immer mehr wird, die Zeit gefühlt aber immer weniger.
Mir hilft es ungemein, ein ganz klares Ziel vor Augen zu haben. Mit Betonung auf EIN Ziel. Dann habe ich nicht mehr das Gefühl, alles jetzt gleich sofort machen zu müssen. Das hatte ich lange und das hat mich völlig überfordert.
Ich wusste zwar von Anfang an, dass ich im Herzen Familienfotografin bin, habe zwischendrin aber auch immer wieder andere Sachen fotografiert. Zum Beispiel zwei Jahre lang eine Portrait-Serie über 19 Café-Gründer. Oder dokumentarische Familienreportagen, weil mir da noch nicht klar war, dass ich Lifestyle Familienfotografin bin und emotionale Momente gerne mit viel Interaktion anleite.
Klar haben mich diese Erfahrungen zu der Fotografin gemacht, die ich heute bin. Aber ich habe auch gemerkt, dass ich mit zu vielen Ideen und Ablenkungen leicht von meinem eigentlich Weg abkomme. Und dass mich das letztlich zu viel Zeit und (kreative) Energie kostet, mehrere Sachen parallel zu machen. Zeit und Energie, die ich nicht habe.
Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass Fokus das Wichtigste ist.
Eine meiner besten Entscheidungen war, mich von Anfang an nur auf Familienfotografie zu spezialisieren, auf eine einzige Sache. Viele Fotografen möchten sich nicht festlegen und das ist auch völlig in Ordnung. Aber ich habe für mich festgestellt, dass ich das sehr befreiend finde, meinen Fokus gefunden zu haben. Und dass es mich sehr glücklich macht, in dieser einen Sache immer mehr meine eigene Bildsprache zu finden.
Weniger ist mehr.
Das heißt für mich auch: Single-Tasking, nicht Multi-Tasking. Eine Sache auf einmal. Sich nicht ablenken lassen von Mails und Social Media. Die To-Do-Liste auf 2 bis 3 Dinge am Tag zu beschränken. Nicht zu versuchen, 20 Dinge zu erledigen und am Ende das Gefühl haben, die Zeit reicht nie. Für mich heißt das letztlich auch, weniger Familienshootings im Monat. Mehr dazu weiter unten.
2. Du musst nicht alles alleine machen.
Wenn man sich selbstständig macht, ist es oft so, dass man viel Zeit, aber wenig Geld hat. Nach ein paar Jahren ist es (hoffentlich) andersrum: man hat Geld, aber keine Zeit mehr. Spätestens wenn man an diesen Punkt kommt, sollte man anfangen, über Outsourcing nachzudenken. Also einfach gesagt, jemand anderen mit den Tätigkeiten zu beauftragen, die Dir keinen Spaß machen und/oder zu viel Zeit klauen.
Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die sich damit schwer tut. "Das ist doch so was Persönliches, das könnte nie jemand Anderes übernehmen," höre ich manchmal von Kollegen. Im eigenen Business steckt so viel Herzblut und man definiert sich sehr stark über seine Arbeit, vor allem wenn man das Hobby zum Beruf gemacht hat. Man fühlt sich unentbehrlich. Mir war der Gedanke immer fremd, Arbeitsabläufe auszulagern. Das hatte sicherlich auch etwas damit zu tun, dass ich gerne die Kontrolle behalte.
Aber irgendwann konnte ich nicht mehr alles alleine machen. Es wurde einfach zu viel.
Das erste was ich ausgelagert habe, war die Buchhaltung. Ich könnte mich selber ohrfeigen, warum ich mir nicht schon viel früher eine Steuerberaterin gesucht habe. Wie viel wertvolle Zeit (und Nerven) ich gespart hätte!
Dann die Fotobearbeitung. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich fotografiere viel lieber, als stundenlang am PC Fotos zu bearbeiten. Mittlerweile habe ich einen Teil meiner Bearbeitung in intensiven Phasen an Photographer's Edit aus den USA (Update 2019: an meine Assistentin) ausgelagert, die mir von einigen Hochzeitsfotografen empfohlen wurden und bin sehr glücklich mit der Entscheidung. "More time for the people in your life" steht auf ihrer Website. Damit hatten sie mich sofort. Sie machen eine super Vorarbeit, ich übernehme weiterhin die individuelle Bearbeitung der Bilder und kann meinen Familien so in kürzester Zeit die Bilder schicken.
Win-Win für Alle.
Ein großer Schritt was es für mich auch, mir endlich eine Grafikdesignerin zu suchen. Wie viele Stunden Arbeit ich in Magazin-Layouts, Gutschein-Designs und Verpackungen gesteckt habe, darüber möchte ich gar nicht nachdenken. Endlich jemanden an meiner Seite zu haben, der von diesen Dingen einfach Ahnung hat, ist eine unglaubliche Erleichterung. Mit der wunderbaren Christine Sehm von Sehm Brand Design befinde ich mich gerade mittendrin im Re-Branding von Leni Moretti mit neuem Logo und allem drum und dran!
3. Entspann Dich mal!
Ich kenne eine Menge Selbstständige. Und eins kann ich Euch sagen: nicht jeder ist für die Selbstständigkeit gemacht.
Wenn man nicht aufpasst, dann brennt man ruckzuck aus. Denn nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Die muss man sich selber ziehen und überhaupt erstmal die Erkenntnis haben, dass die Verantwortung bei einem selber liegt. Dafür habe ich lange gebraucht und ich habe noch viel zu lernen.
So richtig rundum glücklich, Lieder-pfeifend-unbeschwert und guter Dinge bin ich, wenn ich ganz in Ruhe frühstücken und dabei ein Buch lesen kann (nicht nebenbei am PC, wie früher). Wenn ich morgens ohne Hektik Yoga machen kann. Wenn ich mir in aller Seelenruhe ein leckeres, gesundes Mittag kochen und danach im Park in der Sonne spazieren gehen kann. Wenn ich es schaffe, tatsächlich 18 Uhr den Rechner runterzufahren (und nicht wie früher bis Mitternacht Emails beantworte). Wenn ich rechtzeitig ins Bett gehe und ausgeschlafen in den Tag starten kann.
Das ist nicht zu viel gefragt und sollte kein Wunschtraum bleiben. Das aber klappt nur, wenn ich mir 1) nicht zu viel auf meine To-Do-Liste setze (siehe oben Punkt 1. Weniger ist mehr) und 2) mir ganz bewusst mache: mein Leben ist Jetzt.
Und mich öfter zu fragen: "Ist das - jetzt gerade - das Leben und der Alltag, den Du leben willst?"
Im Januar war ich im Urlaub. 10 Tage auf einer sonnigen Insel im Meer. Das war ein kleiner Meilenstein für mich. Denn das war der erste richtige Urlaub in den letzten drei Jahren. Sich so lange am Stück eine Auszeit zu nehmen, war pures Gold für meine Seele. Warum? Anders als sonst, habe ich mir nicht noch "nebenbei" ein paar Shootings vor der schönen Strandkulisse organisiert, ich habe nicht darüber nachgedacht, wie ich auf der Reise Content für die Social Media Kanäle produzieren oder welche Emails ich noch beantworten muss. Ich habe mich rausgenommen aus Allem.
Und habe einfach nur genossen. Dieses intensive Gefühl von Zeit. Und Leben. Und Sonne. Und Zweisamkeit mit meinem Liebsten. Herrlich war das. Und ich will mehr davon! Der nächste Urlaub sollte vielleicht doppelt so lange dauern.
Was willst Du für ein Leben leben?
Oder anders: Mit was und wem willst Du die kostbare Zeit, die Du hast, verbringen? Jeder beantwortet diese Frage für sich anders. Wenn Du gerade ein Baby bekommen hast und versuchst, in einen neuen Alltag hineinzuwachsen, wird die Antwort für Dich anders aussehen, als für die Mama mit ihren zwei kleinen Kindern, die sich gerade selbstständig gemacht hat. Und für mich sieht sie auch wieder ganz anders aus.
Hier also meine persönliche, ehrliche Antwort auf die Frage "Was willst Du für ein Leben leben?"
Ein Leben, wo ich auch mal ein paar Wochenenden für mich habe, um abzuschalten und aufzutanken. Es wird weiterhin Familienshootings am Wochenende geben, aber nicht mehr jedes Wochenende, wie ich es lange gemacht habe.
Ein Leben, wo ich öfter reise, zu Euch. Ich bin nämlich richtig gerne unterwegs (demnächst hier). Und im ICE kann ich wunderbar arbeiten, sinnieren, träumen und die schönsten Texte schreiben. (Update 2019: Mittlerweile biete ich nur noch Shootings in Berlin und Hamburg an.)
Ein Leben, wo ich mehr schreibe. Auf meinem Blog. Für Familien. Für Mama's, die auch mal mit auf den Fotos sein möchten. Und für Fotografen. Denn das macht mir richtig Spaß. Hier wird es in Zukunft jede Menge interessante Artikel geben. Foto-Tipps für Eltern, Familiengeschichten, Interviews, Einblicke in meinen Alltag als Familienfotografin und Gastartikel.
Ein Leben, wo ich nur eine begrenzte Anzahl an Familienshootings im Monat mache. Um Euch mehr von mir geben zu können. Denn dann kann ich mich auf jedes einzelne Shooting viel besser vorbereiten, viel kreativer sein und viel mehr bei Euch sein.
Ich weiß, dass Glück keine Konstante ist, das Leben ist ein Auf und Ab, es geht ein paar Schritte vor und dann auch wieder zurück. Aber nach einer Grund-Zufriedenheit und vielen glücklichen Momenten in Alltag kann man streben.
Ich sehe viele Selbstständige um mich herum, die ihren Traum leben, wenn man so will. Gerade Berlin ist so ein Pflaster für die freien Kreativen. Aber es ist nicht alles Gold was glänzt. Mir geht es nicht darum, zu jammern, sondern Euch da draußen, denen es auch so geht wie mir, Mut zu machen. Denn Du hast es in der Hand. Dein Leben und Dein Glück. Und es ist wichtig, sich immer und immer wieder zu fragen:
Bist Du glücklich? Lebst Du das Leben, das Du leben willst?
Nun möchte ich von Euch wissen: Wie seht Ihr das? Wie und wo zieht Ihr Eure Grenzen? Wie findet Ihr im Alltag mehr Zeit für die Dinge, die Euch wirklich glücklich machen? Ich freue mich auf Eure Kommentare!