12 Selbstporträts an 1 Tag - Tipps für (d)ein Selbstporträt-Projekt

Dies ist ein Gastbeitrag der dokumentarischen Familienfotografin Natalie Sandsack aus Augsburg. Alle Aufnahmen in diesem Artikel sind Selbstporträts.

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In diesem Blogpost soll es um Selbstporträts gehen. Immer wieder erreichen mich Nachrichten von Mamas, die es traurig macht, so wenig auf Bildern zu sein. Eine Mama schrieb "Ich bin dazu übergegangen hin und wieder Selfies mit den Kindern zu machen... und die klebe ich dann zu all den anderen richtig tollen Bildern mit ins Album."

Dass diese Mama auch tolle Bilder verdient hat, steht außer Frage. Mir geht das auch oft so. Und bewusst wurde es mir, als mein Sohn mich nach dem Urlaub fragte, ob ich im Urlaub überhaupt dabei gewesen sei. So entstand die Idee für meine Instagram-Challenge #mamawowarstdu.

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Ein Akt der Selbstliebe sozusagen

Ich möchte euch ermutigen, mehr Fotos von euch zu machen und auch andere zu bitten, euch zu fotografieren. Ein Akt der Selbstliebe und Selbstreflexion sozusagen. Mütter sind statistisch gesehen immer noch hauptverantwortlich für die Care-Arbeit, gleichzeitig jedoch eher selten auf Bildern und in Familienalben zu sehen.

Lasst es uns zusammen ändern, denn ich möchte nicht, dass dadurch auch Erinnerungen an mich, an meine eigene Mutterschaft verloren gehen.

Klar, das geht mal mehr und mal weniger. Das ist ok. Ich weiß, es ist ein Privileg, Zeit zu haben. Zeit fürs Kreativsein, Zeit seinen eigenen Ideen und Projekten Raum zu geben und auch sich selbst mal in den Mittelpunkt stellen zu können und zu dürfen.

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Ein kleines Netzwerk aus potentiellen Fotograf*innen

Challenges und auch Selbstporträt-Projekte sind aufwendig und wieder ein Punkt mehr auf der To-Do-Liste. Deshalb nehme ich mir bewusst Zeit dafür. Natürlich mache ich auch oft ein Selfie zwischendurch. Weil es einfach schnell geht. Meine Ideen notiere ich mir in ein kleines Ideenheftchen und stelle mir alle 3-6 Monate einen Timer, damit ich meine Projekte nicht aus den Augen verliere.

Zudem versuche ich auch andere Mütter, Großeltern, Verwandte, Freund*innen in meine Projekte zu integrieren und ihnen die Wichtigkeit von Bildern zu vermitteln. So schaffe ich mir ein kleines Netzwerk aus potentiellen Fotograf*innen und Nachahmer*innen, die mich im besten Falle zu neuen Ideen inspirieren und zum (Mit-)Machen anspornen.

Ich habe auch ein Foto-Tandem mit einer befreundeten Fotografin gebildet, bei dem wir unsere Familien einmal im Jahr gegenseitig dokumentarisch begleiten. Es sollte im besten Fall eben nicht nur die Aufgabe der Mama sein, das Leben mit Kindern und den Alltag zu dokumentieren.

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Inspiration finde ich vor allem im Alltag

Ich versuche für meine Familie nicht nur große Meilensteine, sondern eben vor allem die kleinen Momente, die uns im Alltag bewegen, festzuhalten. Als dokumentarische Familienfotografin verfolge ich die Idee von ehrlichen Darstellungen meines Mutterseins. Ich möchte keine perfekte Inszenierung von Mutterschaft, sondern das Leben eben. Auch in meinen Selbstporträts.

Dazu habe ich in meiner #mamawowarstdu Challenge versucht, jede Stunde in einer alltäglichen Situation ein Selbstporträt zu machen (damals inspiriert von der lieben Sonia Epple Fotografie). Das war ganz schön aufwendig. Deshalb mache ich das auch nicht oft. Dieses „12h Projekt“ mache ich immer mal wieder, vor allem dann, wenn sich bei uns eine Routine ändert. Die Ideen kommen dabei immer aus dem Alltag. Es sind Szenen unseres Alltags, auf denen ich auch mit drauf sein möchte. Ich entscheide mich dann ganz bewusst dafür, meine Kamera an einem bestimmten Tag einfach dabei zu haben.

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Neben dem 12h Projekt, mache ich z. B. auch zu jeder Jahreszeit ein Foto von uns 4ern auf einer Parkbank oder habe ein Fensterbankprojekt.

Gibt es für dich einen bestimmten Ort in der Wohnung oder draußen, den du festhalten möchtest? Integriere diesen in dein Selbstporträt-Projekt. Gibt es vielleicht eine wichtige Routine in deinem Leben, die du festhalten möchtest? Eine witzige Eigenschaft?

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Die Kamera ist immer sichtbar und griffbereit

Die Kamera ist bei uns immer sichtbar platziert und griffbereit. Ich bin professionelle Fotografin, weshalb ich auch im Alltag mit meiner Canon EOS 5D Mark IV und meinem absoluten Lieblingsobjektiv, dem 35mm/1.4 (Festbrennweite) fotografiere.

Sie liegt auf dem Schreibtisch und (fast) jede*r kann darauf zugreifen. Auch mein Mann ;) Sogar die Kinder können meine Kameras benutzen bzw. auf den Auslöser drücken. Meine Tochter benutzt am liebsten unsere Polaroid. Auch damit halte ich gern unseren Alltag fest. Diese Fotos klebe ich in unser Familientagebuch, von dem ich Leni schon auf Instagram und hier auf dem Blog berichtet habe.

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Ich habe das Gefühl es ist ein Stück „Alltag“ geworden, unser Leben zu dokumentieren. Und die Bedeutung von Erinnerungen haben einen hohen Stellenwert. Die Einbindung meiner Familie in solche Projekte ist essenziell, damit sich die ganze Familie (über die Kernfamilie hinaus) dafür verantwortlich fühlt.

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Emotion kommt bei mir immer vor Perfektion

Für unsere Selbstporträts benutze ich meistens kein Stativ, sondern stelle die Kamera einfach auf das Fensterbrett, den Stuhl oder das Sofa. Ein Stativ ist natürlich sinnvoll, jedoch bleibt mir oft keine Zeit, wenn ich einen bestimmten Moment fotografieren möchte.

Ich benutze neben dem Fernauslöser der Kamera auch den Selbstauslöser mit 10 Sekunden, um Zeit zu haben, mich dazuzugesellen. Dabei schaffe ich es auch nicht immer den Fokus richtig zu stellen. Für mich muss es aber auch nicht perfekt sein. Denn Emotion kommt bei mir immer vor Perfektion.

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An was möchten wir uns später als Familie erinnern?

Die Frage, die ich mir stelle, ist, an was möchten wir uns später als Familie erinnern? Welche Gefühle sollen in uns und unseren Kindern hochkommen, wenn sie unsere Bilder betrachten?

Meine Antwort ist ganz klar: Ich möchte mich an die Momente erinnern, in denen ich mich selbst und vor allem meine Kinder so gesehen habe, wie wir wirklich waren. Und das ist vor allem im alltäglichen Spiel, beim Zähneputzen, beim Weinen, Streiten, Lachen, Trösten oder beim ins Bett bringen.

Es sind Momente der Freude und Liebe sowie auch der Wut und Trauer. Emotionen eben. Und ich stelle mir vor, ich mache meinen Kindern diesen wertvollen Schatz. Und bin auch auf diesen Bildern zu sehen.

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Über Natalie


Mein Name ist Natalie, 37 Jahre, wohnhaft in Augsburg und ich bin Soziologin und Fotografin bei @sandsack.fotografie und www.sandsackfotografie.de. Ich bin Mama von zwei Kindern, 2 und 4 Jahre alt.

„Alles was zählt, ist das Hier und Jetzt und genau das sollten wir festhalten. Die dokumentarische Fotografie hilft mir dabei, meine Lebenswelt und Alltagsgeschichten für mich selbst, für meine Kinder und viele weitere Generationen sichtbar und wieder erlebbar zu machen.

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Für mich ist die Fotografie die Möglichkeit Erlebtes vor dem Vergessen zu bewahren und auch Sichtbarkeit für Menschen und deren Lebenswelt zu schaffen. Für Andere aber auch vor allem für sich selbst sichtbarer zu werden.“

Vielen Dank an Natalie für diesen inspirierenden Beitrag, als Mama selber öfter mit aufs Bild zu kommen!

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