Wo kannst Du an Deiner Kamera die Verschlusszeit einstellen? Wie kannst Du in Fotos schnelle Bewegungen einfrieren? Was hat die Verschlusszeit mit dem Licht zu tun? Warum verwackeln Fotos bei wenig Licht? Viele Tipps und Foto-Merkzettel von der Familienfotografin Leni Moretti.
Du kennst das bestimmt: Du willst Dein Kind zu Hause beim Spielen fotografieren, aber die Fotos sind alle verwackelt. Das liegt oft an zu wenig Licht und einer zu langsamen Verschlusszeit bzw. Belichtungszeit.
Was ist die Verschlusszeit?
Erinnern wir uns nochmal kurz, wie das mit der Blende war. Die Blende regelt, wie viel Licht durch das Objektiv in die Kamera kommt. Um genau zu sein: auf den Bildsensor in der Kamera.
Auf diesem Sensor wird das Bild aufgenommen. Genau vor dem Sensor befindet sich ein Verschluss, der sich nur im Moment des Auslösens öffnet. Als Verschlusszeit bzw. Belichtungszeit bezeichnet man die Zeit, in der die Kamera diesen Verschluss offen lässt, damit Licht auf den Sensor in der Kamera fallen kann.
Je nachdem wie schnell sich dieser Verschluss schließt, reden wir von einer kurzen (= schnellen) bzw. langen (= langsamen) Verschlusszeit.
Was hat die Belichtungszeit mit dem Licht zu tun?
Man nennt die Verschlusszeit auch Belichtungszeit, denn genau wie ISO und Blende regelt sie, wieviel Licht in die Kamera kommt. Je schneller sich der Verschluss vor dem Sensor schließt (= kurze Belichtungszeit), desto weniger Licht kommt in die Kamera und umgekehrt.
Wenn Du also zu Hause in der Wohnung fotografierst, wo Du nicht viel Tageslicht hast, nimmst Du eine lange bzw. langsame Verschlusszeit, damit möglichst viel (von dem wenigen vorhandenen Licht) in die Kamera kommt. Wenn Du am Strand bei strahlendem Sonnenschein fotografierst, hast Du sehr viel Licht und musst aufpassen, dass Dein Foto nicht zu hell wird. Deshalb nimmst Du hier eine kurze bzw. schnelle Belichtungszeit, damit nicht zu viel Licht in die Kamera kommt.
Wenig Licht > lange Verschlusszeit | Viel Licht > kurze Verschlusszeit
Welche Verschlusszeiten gibt es?
Ganz wichtig!
Niemand kann eine Kamera 100% ruhig in der Hand halten. Deshalb solltest Du für ein verwacklungsfreies Foto aus der Hand nie mit einer Verschlusszeit unter 1/60 sec fotografieren! Je höher die Belichtungszeitzahl, desto besser: 1/125 sec, 1/250 usw.
Die 1/60-Regel gilt vor allem für Objektive mit kurzen Brennweiten, wie 35mm oder 50mm. Du kannst Dir merken: Je länger, größer und schwerer Dein Objektiv inklusive Kamera ist, desto höher ist die Verwacklungsgefahr beim Fotografieren aus der Hand und desto schneller muss Deine Verschlusszeit sein. Bei wuchtigen Zoomobjektiven nimmst Du am besten mindestens 1/250 sec.
Wenn man ein Stativ benutzt, kann man mit Langzeitbelichtungen von 1 Sekunde und länger schöne Effekte erzielen. Für Kinderaufnahmen sind solche langen Verschlusszeiten aber nicht optimal. Es sei denn, denn Kind schlummert selig im abgedunkelten Schlafzimmer und Du möchtest diese Atmosphäre mit einer Langzeitbelichtung festhalten.
Noch ein kleiner Tipp:
Wenn Du in der Wohnung fotografierst und nur wenig natürliches Tageslicht für die Kinderfotos hast, brauchst Du sozusagen alles Licht, was Du kriegen kannst. Ob Du dann mit 1/60 sec oder 1/50 sec fotografierst, kann einen großen Unterschied machen. Mit 1/50 sec kommt mehr Licht in die Kamera, aber die Bilder verwackeln leichter aus der Hand.
Um das zu verhindern, stütze ich beim Fotografieren die Ellenbogen ab, zum Beispiel auf einer Decke oder dem Tisch. Oder ich drücke die Arme beim Fotografieren eng an den Körper, um mehr Stabilität zu haben. Und dabei drücke ich ganz langsam den Auslöser. Wichtig ist natürlich, dass sich das Fotomotiv bei 1/50 sec nicht bewegt, sonst hast Du trotzdem eine verwackelte Aufnahme!
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Wo stelle ich an meiner Kamera die Verschlusszeit ein?
Die Belichtungszeit kannst Du manuell einstellen, wenn sich Deine Kamera im M-Modus oder im halbautomatischen T-Modus (Blendenautomatik) befindet. Zum Üben und um ein Gefühl für die Verschlusszeit zu bekommen, bleiben wir erstmal noch beim T-Modus, manchmal auch S-Modus genannt. Das heißt, Du stellst manuell selber die Zeit ein und die Blende wird von der Kamera automatisch gewählt.
Wo Du die genaue Verschlusszeit anpassen kannst, hängt von Deinem Kameramodell ab. Bei den Nikon-Spiegelreflexkameras gibt es in der Regel auf der rechten Seite des Kameragehäuses vorne und hinten ein kleines Drehrad, mit dem man die Verschlusszeit (und auch Blende) bestimmen kann. Dreht man das Rädchen nach links oder rechts, verändert sich die Belichtungszeit und somit die Lichtmenge, die durch das Objektiv in die Kamera kommt.
Auf Deinem Kameradisplay steht die Verschlusszeit meistens links (und die Blende rechts) und wird so angegeben: "1/250". Manchmal steht dort auch das Kürzel "1/250 sec" für englisch "seconds", also Sekunden. Denn die Belichtungszeit wird in Sekunden angegeben, oder eher: dem Bruchteil einer Sekunde. Wenn Du jetzt das Rädchen nach links oder rechts drehst, wirst Du sehen, dass diese Zahl kleiner oder größer wird.
Wenn Du bei der Blende fragst: "Wie viel Schärfe bzw. Unschärfe will ich in meinem Foto haben?", fragst Du Dich bei der Zeit:
"Wie viel Bewegung will ich in meinem Foto einfrieren?"
Gerade bei Kinderfotos macht diese Frage viel Sinn, da Kinder ständig in Bewegung sind und mit die schönsten Fotos entstehen, wenn man sie beim Spielen, Springen und Hüpfen in der Bewegung mit der Kamera "einfrieren" kann. Je schneller Deine Kinder unterwegs sind, desto größer muss Deine Verschlusszeitzahl sein.
Viel Bewegung > große Zahl | Wenig Bewegung > kleine Zahl
Wenn Du Dein hüpfendes, tobendes Kind in der Bewegung einfrieren willst, nimmst Du am besten eine Verschlusszeit von 1/250 sec oder 1/500 sec. Damit kann man im Sommer auch sehr schön die Wassertropfen im Planschbecken oder am Springbrunnen einfangen. Hier am besten eine Verschlusszeit von 1/640 sec oder 1/1000 sec wählen.
Je schneller die Bewegung, desto schneller muss sich der Verschluss vor dem Sensor schließen, um die Bewegung einzufrieren. Wenn Dein Kind rennt, haben wir eine schnelle Bewegung und Du brauchst eine schnelle (= kurze) Verschlusszeit. Wenn es sich ganz langsam bewegt oder gar nicht, reicht eine langsame (= lange) Verschlusszeit. Lässt sich ganz gut merken, oder?
Schnelle Bewegung = schnelle Verschlusszeit | Langsame Bewegung = langsame Verschlusszeit
Springbrunnen sind eine super Möglichkeit, die Belichtungszeit besser zu verstehen. Fotografiere eine Wasserfontäne mal im halbautomatischen T-Modus (Blendenautomatik) mit einer langen (1/60 sec) und kurzen Verschlusszeit (1/500 sec).
Siehst Du den Unterschied?
Mit Deinem Kind kannst Du das natürlich auch super austesten. Verwende diese zwei verschiedenen Verschlusszeiten mal draussen im Schatten während Dein Kind auf der Stelle in die Luft hüpft und dann drinnen, wenn es auf dem Sofa auf und ab springt.
Zum Üben ist es leichter, wenn die Bewegung auf einer konstanten Stelle stattfindet, denn verwackelte Bilder gibt es auch, wenn die Kamera Schwierigkeiten hat mit dem fokussieren. Und das fällt ihr bei sich schnell bewegenden Kindern ganz besonders schwer.
Mit dem Fokus beschäftigen wir uns noch ausführlicher in {Teil 6} der Blogserie "Manuell fotografieren".
Zum Schluss schauen wir uns nochmal unsere 2 Beispielfotos aus dem Familienalltag aus {Teil 2} ISO und {Teil 3} Blende an. Mit welcher Verschlusszeit würdest Du diese Situationen fotografieren? Die Antworten findest Du unter den Bildern.
Auf dem linken Bild drinnen mit dem Baby haben wir nur sehr wenig natürliches Tageslicht und noch dazu kommt das Licht vom Fenster von der anderen Seite. Um möglichst viel von dem vorhandenen Licht in die Kamera zu lassen, brauchen wir also eine langsame Verschlusszeit, zum Beispiel 1/60 sec. Wenn wir uns mit den Ellenbogen beim Fotografieren auf das Bett stützen, könnten wir diese Situation auch mit 1/50 sec fotografieren.
Auf dem rechten Foto befinden wir uns draussen, haben also viel Tageslicht zur Verfügung. Licht ist kein Problem, daher stellen wir uns hier wollen allem die Frage "Wie viel Bewegung will ich in meinem Bild einfrieren?" Eine Menge! Denn die beiden Jungs sind auf ihrem Skateboard ziemlich schnell unterwegs. Deshalb nehmen wir eine schnelle bzw. kurze Verschlusszeit, zum Beispiel 1/250 sec oder noch besser 1/500 sec. Denn schnelle Bewegung = schnelle Verschlusszeit. Ganz einfach!
Auch für die Verschlusszeit gibt es im Online-Fotokurs für Eltern viele Übungsaufgaben und wir schauen uns die 3 wichtigsten Fokus-Techniken für den Familienalltag an. Außerdem zeige ich dir eine Fokus-Methode für Anfänger und für Fortgeschrittene. Denn für schöne – und vor allem scharfe - Baby- und Kinderfotos ist es superwichtig, dass du den Autofokus deiner Kamera besser verstehst.
Endspurt!
Im nächsten {Teil 5} geht es in den Endspurt! Dann lösen wir das große Mysterium des Manuellen Modus und wie man ISO, Blende und Belichtungszeit als "Belichtungsdreieck" zusammenbringt. Je besser Du diese 3 Komponenten verstehst, desto leichter wird es Dir nächste Woche fallen, das Belichtungsdreieck zu verstehen und in Eurem Alltag für noch schönere Fotos zu nutzen.
Daher möchte ich Dir sehr ans Herz legen, bis dahin soviel wie möglich zu üben, denn Übung macht den Meister!
Doofer Spruch, aber da ist viel Wahres dran. Alle graue Theorie bringt nix, wenn man sie nicht immer wieder anwendet. Jetzt aber genug gepredigt! Ich freue mich sehr, nächste Woche Licht ins Dunkel der Manuellen Fotografie zu bringen und Dir eine ganz neue Welt des Sehens und Fotografierens zu zeigen.
{Teil 1} Blogserie Manuell fotografieren - Der Schlüssel zu schönen Kinderfotos ->
{Teil 2} Blogserie Manuell fotografieren - ISO und Licht ->
{Teil 3} Blogserie Manuell fotografieren - Blende und Schärfentiefe ->
{Teil 5} Blogserie Manuell fotografieren - ISO, Blende und Zeit (Belichtungsdreieck) ->
{Teil 6} Blogserie Manuell fotografieren - Autofokus und Schärfe ->
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